aktuelle analoge Systeme
Die Technik der aktuellen analogen Systeme (von Klaus Hönemann, 1997, zuletzt aktualisiert Dezember 2013)
Während alle bisher genannten Quadro Systeme - von den sehr seltenen Neuerscheinungen abgesehen - quasi "tot" sind und nur noch den Sammler begeistern, haben die folgenden Systeme bis in die heutige Zeit überlebt oder wurden erst heute entwickelt:
1.) UHJ / Ambisonic Surround:
Eine Außenseiterrolle spielte von Anfang an das ebenfalls in den 1970er Jahren in England entwickelte System UHJ. Außenseiter zum Einen deshalb, da die in UHJ produzierten Aufnahmen hauptsächlich die musikalische Nische der Kirchen- und Kammermusik füllten. Daneben gab es einige wenige Filmmusiken, ein paar Alben von Alan Parson's und Tina Turner. Zum Anderen unterschied sich dieses ebenfalls auf einer Matrix (s. Quadro v. 1969 bis 80) basierende System grundsätzlich von allen anderen Matrixsystemen. Dennoch ließt sich die Theorie von UHJ sehr schlüssig und interessanterweise hat UHJ bis in die heutige Zeit überlebt.
Während die Übertragung und Wiedergabe praktisch einem der bestehenden anderen Matrixsystemen gleich kommt, gibt es aufnahmeseitig eine spezielle Philosophie. Es werden nicht die abzubildenden Kanäle (links vorne, links hinten, rechts hinten, rechts vorne) sondern die Raumrichtungen (vorne, links, hinten, rechts) aufgenommen. Dazu wird ein eigens entwickeltes Soundfield-Mikrofon verwendet. Dieses Soundfield-Mikrofon stellt das Kernstück der UHJ-Technologie dar. Mit ihm sind praktisch alle UHJ Platten aufgenommen. Das Soundfield-Mikrofon besteht aus vier Mikrofonkapseln, die dicht beieinander in einer tetrahedalen Anordnung montiert sind. In der nachgeschalteten Steuereinheit wurden die Signale der Mikrofone wie folgt isoliert: ein (mono) Summensignal (W), ein vorne - hinten Differenzsignal (X), ein links - rechts Differenzsignal (Y) und sogar ein oben - unten Differenzsignal (Z), was aber bei der weiteren Verarbeitung kaum eine Rolle spielt. Außerdem erlaubt die Technologie das nachträgliche Einmischen weiterer Signalquellen. Die Richtung wird so erkannt, dass die Signale X und Y immer im Phasenbezug zum Gesamtsignal W stehen. Ist das Signal vorne, so haben W und X die gleiche Phase. Kommt ein Signal von hinten haben W und X Gegenphase usw. Aus den so gewonnenen Rohinformationen wird ein stereokompatibles Zweikanalsignal gemischt, dass mittels eines UHJ Decoders auf vier Lautsprecher wieder gegeben werden kann. Die Kodierung / Dekodierung erfolgt dabei so, dass die Lautsprecher - nach wie vor - in der klassischen Quadrophonieanordnung in den Zimmerecken stehen bleiben können. Mittels einer dreikanaligen Übertragung könnte auch die oben / unten Information wieder gegeben werden, diese Technik findet derzeit im für den Heimbereich angebotenen zweikanaligen Matrixverfahren jedoch keine Anwendung.
UHJ kodierte Schallplatten oder CDs erkennt man an dem Hinweis "UHJ" oder "Ambisonic Surround Sound" oder "Ambiphonic", meist auf der Rückseite des Covers vermerkt. Decoder sind im gut sortierten HiFi Fachhandel, sowohl für den Heimbereich, als auch für das Auto erhältlich.
2a.)
Der einzige "Tonträger", der wiedergabeseitig heute regelmäßig mit mehr als nur zwei Kanälen arbeitet, ist der Kinofilm und die entsprechenden Überspielungen auf Videocassette (der aufgegebenen Laserdisk) oder DVD bzw. BluRay (soweit bei der Speicherung auf DVD oder BluRay nicht digitale Formate wie Dolby Digital oder dts verwendet werden).
In der "Untergangsphase" der oben genannten "großen" Quadrophoniesysteme (s. Quadro v. 1969 bis 80) entwickelte die Fa. Dolby für den Kinobereich ein eigenes Raumtonsystem. Im Vergleich zu den bestehenden Quadrosystemen wurde das neue System zunächst "abgespeckt" indem man auf die Verwendung zweier Rückkanäle verzichtete, statt dessen jedoch drei, später sogar fünf Frontkanäle im Kino einrichtete. Unabhängig von dieser Kanalzahl wird für die Raumtonwiedergabe jedoch nur EIN (!) einzelner Rückkanal abgezweigt, der im Kino lediglich deshalb nicht punktförmig wirkt, da er über mehrere Lautsprecher im großen Kinosaal diffus verteilt und der Größe des Kinos angepasst zeitlich verzögert wird. Überhaupt dachte man offensichtlich bei den grundlegenden Gedanken zu diesem neuen System nicht an die räumliche Wiedergabe von Musik sondern überwiegend an Geräusche und Soundeffekte. Zur Verbesserung (des Eindrucks von) der Kanaltrennung wurde der rückwärtige Kanal darüber hinaus im Frequenzgang auf 7.000 Hz beschnitten, um möglichst ein Übersprechen der Musik nach hinten zu verhindern. Der vordere "mittlere" Kanal sollte dagegen überwiegend Träger der Dialoge sein, so dass sein Frequenzgang eine deutliche Betonung im Bereich der menschlichen Sprache erhielt (sogenannte "Präsenz").
Drei bzw. fünf Kanäle ausschließlich für die frontale Beschallung einzurichten ist ein aus Sicht der Quadrophonie völlig unverständliches Konzept, wenn dieser Anzahl lediglich ein rückwärtiger Kanal gegenüber steht. Sinnvoller wäre es für den rückwärtigen Bereich zwei oder gar drei Kanäle halbkreisförmig anzuordnen, um den Zuschauer voll in das Klanggeschehen einzuschließen. Denkbar wäre angesichts der sechs Kanäle auch einen Kanal für die Beschallung "von oben" zu verwenden, was insbesondere bei Weltraumabenteuern ungeahnte Perspektiven öffnen würde...
Bei der Überspielung der Filme auf Videocassette (und Laserdisc) kommt das Dolby Matrix-System Dolby Surround zum Einsatz. Ähnlich dem QS-System werden die ursprünglichen drei bzw. fünf Frontkanäle und der eine Rückkanal auf zwei stereokompatible Kanäle kodiert. Der "Dolby-Surround-Heimdecoder" erarbeitet nun aus dem zweikanaligen Signal je den linken und rechten vorderen (Musik-)Kanal, den Mitten(sprach)kanal sowie den (Geräusch-)Rückkanal heraus. Letzterer wird auf zwei Lautsprecher verteilt, um (genau wie im Kino) einen punktförmigen Eindruck zu verhindern. Preiswerte Decoder verzichten auf einen separaten Mittenkanal und legen dessen Signal "in Phase" gleichmäßig auf den linken und rechten Kanal ("Phantomschaltung"). Besonders aufwendige Decoder hingegen arbeiten mit sechs oder gar acht Lautsprechern. Doch handelt es sich dann lediglich um Stützkanäle, Subwoofer etc., mehr als die vier ursprünglichen Kanäle sind halt nicht vorhanden. Zumindest theoretisch nicht vorhanden - denn in einen ganz besonderen Genuss des Dolby-Surround kodierten Videomaterials kommen die Besitzer von QS-Decodern, vor allem wenn es sich um Spitzendecoder wie den Sansui QSD1 oder QSD2 handelt (s. Quadro v. 1969 bis 80). Diese Geräte schaffen es mittels ihrer QS-Schaltung das hintere Signal doch wieder zweikanalig und dabei absolut seitenrichtig zu rekonstruieren! So entsteht mit einen QS-Decoder ein wesentlich besseres, tieferes und flächigeres Klangbild, als es mit einem echten Dolby-Decoder möglich wäre. Dank des besonders stabilen Mitteneindrucks des QS-Systems kann bei Verwendung eines QS-Decoders auch auf den Mittenlautsprecher verzichtet werden. Die Signale, die ihm zugedacht sind, werden völlig gleichmäßig quasi als Monosignal, von den beiden vorderen Lautsprechern wieder gegeben. Und letztlich entfällt auch die Frequenzgangbeschneidung der hinteren Kanäle auf 7.000 Hz.
Ähnlich gute, den eigentlichen Dolby Surrounddecodern überlegene, Resultate erzielt man auch mit den Circle (s. u.) Surround Decodern. Die Circle Decoder haben darüber hinaus den Vorteil, dass man ihnen nicht auf dem Second-Hand-Markt "nachjagen" muss, sondern sie bei gut sortierten Händlern kaufen kann. Das Circle-System wird weiter unten ausführlich beschrieben.
Dolby Surround kodierte Filme gehören heute zum Alltag auf VHS-Cassetten und DVD. Selbst das Fernsehen bietet zunehmend Dolby-Surround-Übertragungen an. In Ermanglung echter Quadrosysteme haben einige Musiker Dolby-Surround aufgegriffen und CDs in diesem Verfahren veröffentlicht. Vor allem handelt es sich dabei um Interpreten, die sich von Anfang an schon in den 1970ern für die Quadrophonie eingesetzt haben (Mike Oldfield, dessen "Tubular Bells" sowohl in SQ und Q8 als später auch in CD4 und sogar UD4 erschien, Pink Floyd, Isao Tomita u.v.a.m.). Daneben gibt es viele in diesem Verfahren kodierte Filmmusiken (es wurde wohl nur der sowieso schon kodierte Ton übernommen). Räumlich und musikalisch sehr schön gelungen sind auch die Dolby codierten CDs der Schweizer Harfenspielers Andreas Vollenweider. Dolby Surround Filme als auch Musik-CDs (LPs, MCs) sind am typischen doppelten D der Fa. Dolby gefolgt von dem eingerahmten Schriftzug "Dolby Surround" zu erkennen. Eine breite Palette von Dolby Surround Decodern ist im Fachhandel und bei den großen Discountern zu finden.
2b.) Dolby Surround Prologic II
Trotz der neuen digitalen Systeme (Dolby Digital) hat Dolby das mittlerweile betagte Dolby Surround zu Prologic 2 weiterentwickelt. Dolby verspricht so das Überleben der alten Surroundkonserven zu sichern und gleichzeitig mit einigen Unzulänglichkeiten des alten Surround-Systems Schluss zu machen.
Durch Schaltungstricks generiert Prologic 2, wie alle anderen Matrix-Systeme auch, aus zwei stereokompatiblen analogen Tonspuren nunmehr fünf Kanäle, also anders als die ursprüngliche Dolby-Version zwei getrennte Rückkanäle statt einem. Gleichzeitig hat man nun auch im Hause Dolby erkannt, dass die Frequenzgangbegrenzung der hinteren Kanäle auf 7.000 Hz keinen Sinn macht und diese unnötige Hochtoneleminierung beendet. Letztlich eröffnet das neue System dem Hörer die Möglichkeit über die "Dimension Control" und die "Center Width Control" den Klangschwerpunkt nach Geschmack oder räumlichen Gegebenheiten selbst zu platzieren. Die "Dimension Control" erinnert in ihrer Wirkung sehr stark an die sog. Vario-Matrix, mit welcher das QS-System bereits Mitte der 1970er-Jahre dem Hörer ähnliche Möglichkeiten eröffnete. Die "Center Width Control" vermag Klanganteile des Center-Speakers in die beiden vorderen Hauptlautsprecher einzumischen, so dass der "gebündelte Mitteneindruck", den ein Center üblicherweise vermittelt, nach Wunsch vorne breiter aufgefächert werden kann. Eine Forderung, die die eingefleischten Quadrophonieanhänger bereits lange an heutige Surround-Systeme gestellt haben.
Schließlich wurden mit dem "Panorama Mode" und dem "Music Mode" zwei neue Surround-Modi zur räumlichen Wiedergabe bzw. Aufbereitung reiner Stereoaufnahmen integriert. Auch hier erinnert die Ausführung an die "Synthesizer Surround Schaltung" des QS-Systems.
Alles in Allem bringt Prologic 2 also keine grundsätzlich neuen Technologien und kann daher den echten Quadro-Fan kaum "vom Hocker reißen". Dennoch ist Dolbys Weiterentwicklung sehr zu begrüßen, da endlich ein preiswerter QS / RM und Dolby Surround abwärtskompatibler moderner Decoder auf dem Markt ist, der Surroundaufnahmen ohne die üblichen Begrenzungen (hinten mono, nur 7.000 Hz) wieder gibt. Eine echte Alternative für Neueinsteiger, die anderenfalls auf dem Gebrauchtmarkt Jahre auf der Suche nach einem gutem Decoder verbracht hätten.
3.) Circle Sound:
Bei diesem von RSP Technologies entwickeltem Surround Verfahren handelt es sich wiederum um ein stereokompatibles Matrixsystem, d.h. die Surroundinformationen werden in die zwei (Stereo-) Hauptkanäle abgemischt und diese beiden Kanäle sind stereophon abspielbar. Die Kompatibilität des Circle Sound Systems ist jedoch noch weitergehender: so kann auch Dolby Surround kodierte Material und auch nach einigen anderen Matrixverfahren (bspw. QS) verschlüsselte Informationen mittels eines Circle Sound Decoders wiedergegeben werden. Circle Sound bietet auch hier gegenüber Dolby Surround den Vorteil die Rückkanäle zweikanalig und wunschweise auch mit unbeschnittenem Frequenzgang zu bedienen.
Der Circle Sound Decoder hat zwei Betriebsarten, je wahlweise als fünf- (mit Centerkanal) oder vierkanalige Schaltung mit oder ohne zusätzlichen Subwoofer ausgelegt:
Im Audio Betrieb für reine Musikwiedergabe wird der Mittenkanal um -6dB gegenüber den beiden anderen vorderen Kanälen abgeschwächt, um vorne eine Reduzierung des Stereoeffektes zu vermeiden. Signale, die ausschließlich nach links gemischt sind, werden vorne links mit +3dB hinten links mit +10dB übertragen; rechts arbeitet die Schaltung entsprechend. Der Zuhörer wird so vom Stereoklangbild quasi umrundet (was der "Synthesizer Surround" Schaltung der Sansui Decoder QSD1 / 2 sehr ähnelt). Mittels der regulierbaren "Circle Deepth" kann die "Raumtiefe" verändert werden, indem bestimmt wird, wie viel des Signalanteils "Mitte-vorne" in die hinteren Lautsprecher eingemischt wird. Dieses Prinzip ist mit der "Vario Matrix" des QS-Systems vergleichbar.
Befindet sich der Decoder im Video Mode arbeitet eine spezielle Steuerungslogic. Die "Circle Deepth" ist im Videobetrieb außer Funktion, d.h. die Übersprechdämpfung zwischen Center und den hinteren Lautsprechern ist fest auf Maximum eingestellt, auch wird der Center nicht mehr abgeschwächt. Zusätzlich werden die Informationen, die nach hinten gehen oberhalb 2 KHz unterdrückt, was eine deutliche Nachahmung des Dolby Surround Prinzips ist.
Der Circle Decoder ist somit beides: Hervorragender Dolby Surround Decoder sowie Decoder für einige andere Surround- bzw. Quadrosysteme und natürlich CS kodierter Aufnahmen. Des weiteren bereitet er Stereosignale hervorragend zu einem quadroähnlichem Klangbild auf. Im Sommer 1998 konnte ich den damals aktuellste Circle Heimdecoder, welcher eine überragende Kanaltrennung von bis zu 59 dB erreicht, ausgiebig testen und reihe ihn seit dem mit in Riege der "Superdecoder" wie QSD1 / 2, Space & Image Composer und Tetracord ein. Eine echte Alternative zu den "Superdecodern" der 1970er!
In Circle Sound sind mittlerweile einige Aufnahmen erschienen. Man erkennt sie am mittels eines Pfeiles eingekreistem hochgestellten C und tiefgestellten S (s. o.). Circle Decoder bietet der gut sortierte Fachhandel an. Manchmal sind die Decoder auch in die Verstärker und Reciever einiger Markenhersteller integriert.
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